Küche - 2022-06 - Seite 18-19: Dr. Clemens Striebing ist Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Der Soziologe forscht zu Organisationskulturen und Diversity in Forschungs- und Entwicklungsprozessen. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was Frauen das Arbeiten in Profiküchen erschwert. > KÜCHE: Herr Dr. Striebing, hört man sich bei Köchinnen und Köchen um, gilt die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf als Hauptgrund dafür, dass Frauen als Köchinnen stark unterrepräsentiert sind, auch in leitenden Positionen. Wie stellt sich diese Argumentation aus Ihrer Sicht dar? DR. CLEMENS STRIEBING: Es muss nicht zwangsläufig stimmen, dass die Karriere der Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegensteht. Was die Forschung nahelegt ist, dass Menschen in praktischen Ausbildungsberufen eher zu konventionellen Lebensmodellen neigen und früher eine Familie gründen, mit klassischer Rollenverteilung. Tatsächlich haben wir es aber oft auch mit geschlechtsbezogener Diskriminierung zu tun, die subtil und häufig unbeabsichtigt ist. … Wo genau liegt das Problem? Frauen sind faktisch mit einer Vielzahl sogenannter Gender Biases konfrontiert. Das sind verzerrte geschlechtsbezogene Wahrnehmungen durch sexistische Vorurteile oder Stereotype. Einen typischen Gender Bias kennen wir aus der Autoindustrie, wenn bei der Neuzulassung von Autos nur Sicherheitstests mit auf den Durchschnittsmann standardisierten Dummies vorgenommen werden, obwohl bekanntermaßen auch Frauen Autos fahren. … Wie zeigt sich das konkret bei der Berufswahl? Wenn die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf stereotyp als Hinderungsgrund für die Berufswahl oder die Führungskräfteauswahl gilt, dann haben wir es auch hier mit einem Gender Bias, einem geschlechtsspezifischen Vorurteil, zu tun. Diese sogenannte „Maternal-Wall" bedeutet die Diskriminierung von Frauen aufgrund ihrer Mutterschaft oder einer möglichen Mutterschaft. Sobald Frauen schwanger werden oder Mutter sind, werden sie oft als weniger kompetent beurteilt. Ihnen wird - bewusst oder unbewusst - unterstellt, sich ihrer Arbeit weniger verpflichtet zu fühlen. … ff
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